Erst Anfang August erhielt ich die Registrierung um auf der Leitmesse der Fahrradindustrie als Fachbesucher teilnehmen zu können. Ich konnte mich erst spät dazu entschließen, denn Friedrichshafen ist von Hamburg aus ja nicht gerade ums Eck und auch rein zeitlich hatte ich nicht das Gefühl, dass es so gut passt.
Nun musste noch Unterkunft und Anreise gebucht werden. Schnell wurde mir klar, dass ich mit der Buchung einer Beherbergung reichlich spät dran war. Direkt in Friedrichshafen gab es keine normalpreisigen Zimmer mehr und weiter außerhalb machte es nun mal keinen Sinn. Auf der EuroBike Homepage erfuhr ich vom Eurobike Camping Park. Dieser befindet sich ca. 800m vom Messegelände entfernt an einem Sportplatz. Auf eine Messe zu fahren und dort im Zelt zu nächtigen klingt erst einmal schräg, aber scheinbar nutzen viele jedes Jahr diese Option.
Donnerstagmorgen um 6 Uhr ging es dann am Hamburger Hauptbahnhof los Richtung Bodensee. Nach etwa 7,5 Stunden sollte ich da sein. Das klappte dann nicht so ganz, da ich einen Anschlusszug verpasste und mir die Deutsche Bahn so den Messebesuch etwas verkürzte. Geplant war, am Anreisetag schon einen halben Tag auf der Messe zu verbringen sowie den gesamten Freitag. Den Samstag wollte ich noch etwas am Bodensee ausspannen. Ich hatte mir schon gedacht, dass dies alles etwas anstrengend werden könnte.
Aber erst einmal sollte das Zelt aufgebaut werden. Mitgenommen hatte ich ein 1-Mannzelt mit einem einmaligen Packmaß, welches ich schon öfter auf Radreisen dabei hatte. Außer der geringen Verpackungsgröße und dem kleinen Gewicht hat es leider keinen besonderen Komfort. Nachts standen betrunkene britische EuroBike-Camper sicher 30 Minuten vor dem Zelt und machten sich lustig über meine kleine Behausung: "This is the silliest thing I've ever seen". Ja, wirklich sehr witzig!
Nach einem kurzen Fußmarsch kam ich am Messegelände an. Neben 13 Messehallen lag auch ein großer Außenbereich vor mir. Eigentlich nicht an 1,5 Tagen zu schaffen.
Mir fiel als erstes auf, dass die großen Namen wie Shimano, Merida, Stevens und Giant mächtig auffuhren und riesige, aufwendig ausgestaltete Areale bezogen haben. Von "Ständen" konnte man z.T. gar nicht mehr sprechen. Aber auch mir bisher unbekannte Firmen wie Cipollini protzten mächtig auf.
Der kalifornische Hersteler Electra präsentierte neben reichlich Rädern, meist Beachcruisern, auch jede Menge an passendem Zubehör wie Motiv-Ventilkappen, knalligbunten Klingeln und "Bike Bling" wie Lenker-Blumen und "Streamers". Dies sind Fransen, die an den Lenkerenden befestigt werden, um im Wind zu flattern.
Pure Fix Cycles aus L.A. stellten ihre stylishen Fixed Gear Bikes vor, welche neben den bunten Rahmen auch durch die farbigen Felgen auffielen.
Dieses ausgestellte Rad der finnischen Marke Pelago mit einem zweiten Lenker statt eines Sattels irritierte etwas. Ich fragte nach ob da beim Schrauben etwas schief gegangen sei. Man klärte mich auf, hier sei ihr Logo nachgebaut worden. Im Logo spigeln sich durch die beiden Lenkerarten die zwei Schwerpunkte wieder: Ästhetische Räder für die Stadt und Randoneure für längere Distanzen.
Der schwedische Hersteller Bookman dagegen konzentriert sich gänzlich auf urbanes Fahrrad-Zubehör. Neben per USB ladbaren Front- und Rücklichtern gibt es weitere Accessoires wie Getränkehalter und bunten Konfetti-Reflektoren als Sticker oder für die Stahlliebhaber auch in einer magnetischen Ausführung.
Bike Belle aus dem polnischen Krakau haben sich dem individuellen Zubehör fürs Rad verschrieben. Neben liebevoll handgestrickten Lenkergriffen und Sattelschonern gibt es auch tolle Fahrradkorb-Bezüge mit Matroschkas oder maritimen Motiven.
Hübsch sind auch die ebenfalls handgefertigten Ventilkappen in Muffinsform oder gar in Gestalt eines Lippenstifts.
Insgesamt wird hier eher die detailverliebte Radfahrerin bedient. Aber vielleicht findet sich hier für Ihn das passende Geburtstagsgeschenk für die Freundin? Es lohnt sich auf jeden Fall, einmal auf der Seite etwas zu stöbern.
Weiter gehts zum Stand von MyBoo. MyBoo ist ein soziales Projekt, das die Rahmen für nachhaltige Bambus-Räder in Ghana fertigt. Die Bambusstangen werden an den Verbindungsstellen mit Hanfseil umwickelt und dort mit einem Bioharz versehen, welches ausgehärtet. Nach erfolgter Trocknung erhält man einen extrem stabilen Rahmen, der nun vor Ort noch abgeschliffen und veredelt wird. Es stecken bis zu 90 Stunden Handarbeit in so einem Rad.
Die Rahmen werden anschließend in der Kieler Manufaktur geprüft und fertiggestellt.
So ein einzigartiges Bambusfahrrad bekommt man bei MyBoo ab etwa 1600€. Über einen Konfigurator lässt es sich zusätzlich mit weiteren Extras individualisieren. Z.B. können Bambus-Schutzbleche verbaut und das Laufrad kann mit einem Nabendynamo versehen werden.
Am Stand fand ich außerdem die ansehnlichen handgefertigten Schlösser von Dalman Supply vor. Hier wird ein 6,5mm Stahlseil mit einer festen Hanfschnur umwickelt. Die Schlaufe für das eigentliche Schloß wird mit einer Lederlasche gehalten. Sieht wirklich schick aus, aber erfüllt wohl eher die Sicherheit eines einfachen Standardschlosses.
Das Copenhagen Wheel ist sicher vielen bereits bekannt durch ein Video, das in der letzten Zeit oft geteilt wurde.
Das vorhandene Hinterrad wird einfach durch das Copenhagen Wheel ersetzt. Die rote Scheibe beinhaltet neben einem Motor einen Akku. Der Akku kann u.a. durch Bremskraft wieder aufgeladen werden. Der über den Akku betriebene Motor unterstützt den Radfahrer bei Bedarf. Um das Ganze noch smarter zu machen, ist das Rad zusätzlich über Wifi mit dem Mobiltelefon und einer App verbunden. Hier kann man den Grad der Unterstützung steuern. Außerdem besitzt das Copenhagen Wheel noch eine Art Wegfahrsperre.
Die dynamobetriebene Frontleuchte E3 Pro 2 von Supernova kommt auf amtliche 205 Lumen Helligkeit und ist für Alltags- und Reiseradler gedacht. Die Buchstaben des Logos sind durchscheinend und somit ist auch eine seitliche Sichbarkeit gegeben.
Die Lampe mit Aluminiumgehäuse wiegt lediglich 110 g und sollte so auch bei Radsprotlern Interesse wecken. Zudem ist die E3 Pro 2 auch für den Straßenverkehr zugelassen. Erhältlich ist der Frontstrahler für 165€ in acht verschiedenen Farben.
Von Palomar, den Machern des magnetischen Fahrradlichts "Lucetta", gibt es auch etwas neues. "Nello" ist eine elektronische Fahrradklingel welche magnetisch am Lenker befestigt wird. Erinnern tut das runde Ding eher an eine Clownsnase, wie jemand bei Twitter witzelte.
"Die Klingel" hat außerdem m.E. nach das gleiche Problem wie das vom Sound her ähnlich klingende Produkt "Orp". Wenn jemand hinter mir ein so ein digitales Geräusch verursacht, würde ich es nicht damit verbinden den Weg frei zu machen.
Grundsätzlich ist eine elektronische Klingel nicht unbedingt etwas, was man benötigt. Interessant würde ich aber etwas finden, auf das man verschiedene Klingeltöne - wie beim Mobiltelefon - aufspielen könnte. Nett wäre doch ein lautes Trucker-Horn, um an der Ampel eingeschlafene Autofahrer zu wecken.
Das bereits bekannte Produkt "Lucetta" finde ich von Design und Funktion her weiterhin interessant. Aber als ernstzunehmendes Fahrradlicht kann man es nicht wirklich ansehen. Als Positionslicht, um eine grundlegende Sichtbarkeit zu geben, ist es aber sicherlich gut verwendbar.
Wo wir gerade beim Licht sind: Von Sigma Sport gibt es nun ein Bremslicht. Dieses wird durch Betätigen der hinteren mechanischen Bremse aktiviert.
Das "Brakelight" soll im Herbst in Deutschland verfügbar sein. Wenn ich es richtig verstanden habe soll die UVP bei nur 7,95€ liegen. Das wundert mich doch etwas. Wahrscheinlich setzt man hier darauf, dass so besonders viele ihr Rad mit dem Licht ausstatten.
An einem Rad, der VSF Fahrradmanufaktur, habe ich noch das Frontlicht ILU, einer Kooperationen von Busch & Müller und Curana entdecken können. Das am Schutzblech (vorne) bzw. im Schutzblech (hinten) integrierte Licht stammt scheinbar schon aus dem letzten Jahr. War mir aber bisher noch nicht bekannt.
Dieses 1900 gebaute Vintage Bike des seit 1895 tätigen Herstellers The Light Blue aus Cambridge, hat es vielen angetan. Der Sattel ist noch original ansonsten wurde das Rad in den 80er Jahren aufgearbeitet.
So eine Übersetzung, mit 100 Zähnen vorne und 32 hinten, hätte ich gerne einmal ausprobiert. War leider vor Ort nicht möglich.
Das Motto vom dänischen Kinderhelm-Hersteller Crazy Safety ist "The cool way to be safe".
Genau das der Ansatz des Designers Zdenko Santini, der von seinen Eltern als Kind genötigt wurde, einen Helm zu tragen. Damals dekorierte er den Helm mit Augen und Hörnern. Alle Kinder fanden es cool und wollten nun auch so einen Helm haben. Daraus entstand später eine Geschäftsidee.
So, nun kommen wir noch zu ein paar Rädern, die mir in den 1,5 Tagen EuroBike aufgefallen sind.
Rechts ein Modell des italienischen Motorrad-Herstellers Italjet, der nun auch einige E-Bike Modelle im Sortiment hat.
Zu diesem Kanonenrohr-Bike habe ich mir gar nichts notiert. Ich meine es stand aber mit bei den Italienern.
Ebenso kann ich nichts zu diesem "fahrenden Aktenschrank" sagen...
Neben E-Bikes waren auch diverse Fatbike-Variationen vertreten. Hier das "Barbie-Fatbike" von Maxx:
Oder auch ein Fatbike-Trike von Icletta:
Es gab außerdem noch einen großen Außenbereich von dem ich eher wenig gesehen habe. Beim Lake Jump rauschten die Fahrer von einer Rampe direkt in den Messesee.
Auch Fahrradmode wurde auf dem Laufsteg präsentiert:
Zum Abschluss noch das schöne Modell "The Buttler" vom ältesten brittischen Fahrradhersteller Pashley aus Birmingham welche seit 1926 Fahrräder in Handarbeit fertigen.
Den Samstag hatte ich dann zu meiner freien Verfügung. Es ging ins Friedrichshafener Strandbad, in welchen ich mir einen knackigen Sonnenbrand abholte. Das Wetter ist wirklich unglaublich ungerecht verteilt in Deutschland. Im Strandbad lernte ich noch Claudio aus Rumänien kennen welcher dort MTB-Touren anbietet. Er gab bereits nach einem halben Tag EuroBike auf, aber er hat mir angeboten nach Rumänien zu kommen. Er versprach mir Abenteuerurlaub mit wilden Bären und unberührter Natur. Na, mal schauen.
Die 1,5 Tage Messe-Aufenthalt waren schon sehr anstrengend. Meine Füße taten Freitagabend ordentlich weh. Aber insgesamt hat es sich gelohnt,das mal zu sehen. Nächstes Jahr nehme ich aber lieber wieder mit der etwas intimeren Berliner Fahrradschau vorlieb welche vom 18.-20. März 2016 stattfindet.